Wenn der Piepser Alarm schlägt, muss es ganz schnell gehen. Christoph Kofler muss dann alles stehen und liegen lassen. Weil, wenn der Piepser Alarm schlägt, wird alles andere ganz klein. Dann sind Menschen in Gefahr, dann werden die Aufgaben des Alltags plötzlich unwichtig. „Es ist nur eine Frage der Organisation“, sagt Christoph – und deswegen haben sich längst alle daran gewöhnt, dass der Chef ab und zu eben plötzlich wegmuss. Christoph ist Bergretter aus Leidenschaft. Und dass er das heute noch macht, daran ist wahrscheinlich – so paradox das klingen mag – das Hotel Maria „schuld“.

1997 fasste er zusammen mit einem Freund den Entschluss, in die Bergrettung zu gehen – mit dem Ziel, eine Ausbildung zum Bergführer zu machen. „Das war noch lange, bevor meine Frau Beatrix und ich ahnten, was hier für uns beruflich entstehen könnte“, erzählt Christoph. Bei der Bergrettung, so war der Plan, würden sie viele Dinge lernen, die sie benötigten, um die Bergführerprüfungen zu bestehen. Aber dann kam alles eben ganz anders.

Christoph Kofler sitzt neben seiner Frau Beatrix in der Sonne
Beatrix und Christoph Kofler führen mit viel Liebe und Herzlichkeit das Hotel Maria in Obereggen, das an einem wahrlich paradiesischen Platz steht. Jens Vögele I 360°-Kommunikation

Beatrix übernahm die elterliche Pension und gemeinsam reifte die Vision, zu investieren und den kleinen Betrieb mit acht Zimmern zum Familienhotel auszubauen. Und Christoph musste seine sportlichen Ambitionen zunächst hintanstellen. Für den quirligen Bergmenschen, der bis dahin – wenn immer möglich – rausging, war das zwar eine Umstellung. Aber wer Christoph kennt, weiß, dass er die Dinge richtig angeht. Und konsequent. Diese Konsequenz hat ihn auch in seiner Jugend angetrieben, als der gebürtige Gummerer, früh gemerkt hat, was man in den Bergen so alles machen kann. „Mit 14 bin ich meinen ersten Klettersteig mit dem Alpenverein gegangen, und wir haben damals hier zu den Ersten gehört, die Mountainbike gefahren sind“, blickt er zurück und erinnert sich an sein über 30-jähriges Rewel-Titanbike, dessen Schmiede im nur wenige Kilometer entfernten Petersberg steht.

Eine Herzlichkeit, die ansteckend ist

Nach dem Militärdienst bei den Gebirgsjägern legte Christoph dann richtig los: „Ich bin zwar auch ein, zwei Mountainbikerennen gefahren, habe aber schnell gemerkt, dass Klettern meine wirkliche Passion ist“, sagt er. Die Herausforderung, der Nervenkitzel, der „Kick“, wie Christoph sagt, und natürlich auch der Stolz, etwas geschafft zu haben waren für ihn einfach unvergleichlich. Fast 1000 Höhenmeter in der Marmolata-Südwand zum Beispiel oder ein 6000er in Peru gehören zu seinen größten sportlichen Errungenschaften. Als „unglaublich imposant“ hat er Touren wie diese in Erinnerung und gibt gleichzeitig zu, das eine oder andere Mal auch Glück gehabt zu haben. „Wenn du dich da mal versteigst oder die Orientierung verlierst, kann es schon brenzlig werden.“

Damals waren sie eine Gruppe von zehn Leuten. „Wir waren jung und stark, und wenn etwas geklappt hat, musste es das nächste Mal noch ein Stück extremer sein“, erzählt er und wird dabei nachdenklich. Fünf von ihnen sind heute nicht mehr am Leben, alle umgekommen, nachdem Christoph wegen des Hotelumbaus kürzer treten musste. Und auch wollte. Neben der beruflichen Verantwortung kam die familiäre dazu, weil er mit Beatrix Vater von zwei Töchtern wurde.

Christoph Kofler hält ein Kletterseil in den Händen
Christoph Kollers große Leidenschaft gehört dem Klettern. Alex Filz

Ein Koch aus der Slowakei allerdings brachte die heile Welt der Koflers wieder durcheinander. „Du wirst doch nicht wieder anfangen wollen“, sagte Beatrix entsetzt, als sie merkte, dass der Koch Interesse an der Kletterei gefunden hatte und ihrem Mann jede Menge Fragen stellte. „Nein“, entgegnete Christoph, „ich will ihm ja bloß ein paar Sachen zeigen.“ Aber nach dem Kletterfelsen kam die erste Klettertour, Christoph kaufte sich ein neues Seil und suchte sich fortan wieder die Zeit, seiner alten Leideschaft nachzugehen. Und das ist heute ein Glücksfall. Für Beatrix und für die Gäste im Hotel Maria. „Was ich heute mache, hat mit dem von früher aber nichts mehr zu tun“, erklärt Christoph.

Er achtet sehr auf Sicherheit, macht keine gefährlichen Sachen mehr, auch weil er regelmäßig mit Kindern und Familien zusammen auf Tour geht. So sind über die Jahre schon viele Freundschaften entstanden, zumal Christophs Herzlichkeit ansteckend ist – die alle spüren, wenn er nach der Klettertour im Hotel arbeitet. „Eigentlich müssen wir hier ja alles machen, auch wenn mal eine Glühbirne kaputt ist“, sagt er. Was ihm aber besonders am Herzen liegt, ist der Service beim Abendessen. Hier kann er das, was die Köche jeden Abend zaubern, mit Liebe servieren, hat Zeit für einen Plausch und spürt, ob die Gäste sich wohlfühlen oder es bei den Mitarbeitern irgendwo klemmt. „Ich bin nicht als Chef geboren“, erklärt er seine Natürlichkeit und Bodenständigkeit.

Ein Hubschrauber der Bergrettung landet auf einer Wiese
Wenn die Bergrettung ruft, dann muss es ganz schnell gehen. Weil dann sind Menschenleben in Gefahr. Hotel Maria

Bevor er Beatrix heiratete und ins Hotel Maria kam, arbeitete er als Mechaniker bei Mercedes in Bozen, später in der Reparaturannahme: „Ich kenne auch die andere Seite: die Sicht des Angestellten und die des Kunden.“ Und Christoph kennt die Sicht des Weinkenners. „Wir haben hier in Südtirol hervorragende Weine“, weshalb er sich entschloss, sein Interesse daran in eine Sommelierausbildung zu investieren. Heute kümmert er sich um den Einkauf, macht die Weinkarte und kann seine Gäste exklusiv beraten. „Wer im Urlaub ist, sucht ja das Besondere, von dem er zu Hause noch zehren kann.“ Wenn der Piepser aber Alarm schlägt, wird die Weinberatung schon mal jäh unterbrochen.

Wie neulich, als zwei Wanderer leichtsinnig loszogen und in Lebensgefahr gerieten. Christoph und seine Bergretterkollegen fanden zunächst die Frau, später den Mann, mit dem sie aber die Nacht im Biwak verbringen mussten. Ein außergewöhnlich langer und spektakulärer Einsatz, der dazu führte, dass Beatrix sich ernsthaft Sorgen machte, warum ihr Mann nicht wie gewohnt nach ein paar Stunden nach Hause kam. Als alle zurück waren, blickte Christoph aber in  viele erleichterte Gesichter. Die beiden Wanderer waren gerettet. Beatrix wieder beruhigt. Die Gäste klebten an den Lippen von Christoph, als dieser vom Einsatz erzählte. Und Christoph? Ärgert er sich darüber, wenn er wegen solcher Leichtsinnigkeit raus muss? „Überhaupt nicht“, sagt er. „Wenn wir Leben gerettet haben, dann ist das ein phänomenales Gefühl!“ Und außerdem: „Wenn Menschen in den Bergen keine  Fehler machen würden, dann wäre die Bergrettung ja überflüssig.“

Das Porträt wurde im Kundenmagazin WOLKE 7, das ich für das Hotel Maria in Obereggen produziert habe, veröffentlicht.